Das Herz der kleinen Schwalbe pocht in meiner Hand. Als ich die Finger öffne, bleibt sie noch eine kurze Weile sitzen. Dann macht sie den Abflug in den Himmel von Phnom Penh. Ihre Artgenossen, die noch im Käfig hocken, werden gleichfalls freigekauft. „Das bringt Glück“, verrät der Händler auf dem Tempelberg Wat Phnom. Den Vögeln sicherlich, und ihm genauso. Pro Piepmatz einen Dollar – wie der Eintrittspreis ins Heiligtum – hat die Freilassungsaktion gekostet.
Schwalben fangen und gegen Lösegeld die Freiheit schenken, bringt deutlich mehr als Arbeit gegen durchschnittlichen Lohn. Das Pro-Kopf-Einkommen in Kambodscha liegt bei etwas über drei US-Dollar am Tag. Doch ganz gleich, wie arm oder reich die Leute sind: Für Tempelopfer hat man immer etwas übrig. Vor jedem Buddha-Abbild türmen sich die Gaben von Lotosblüten und Bananen bis hin zu Dollarscheinen. Den göttlichen Bronzelöwen am Eingang stopft man rohe Schweineschnitzel in die Mäuler.
Holy Hill im Kreisverkehr
Außer dem Religionsgründer sowie Ponhea Yat, dem letzten Khmerkönig, wird „Großmutter Penh“ auf dem Tempelberg verehrt. Sie gilt als dessen Gründerin und Namensgeberin der Stadt, die um ihn herum entstand. Die reiche Witwe ließ der Legende nach sowohl die ersten Gebäude als auch den 27 Meter hohen Hügel errichten. Gewidmet hatte sie das Werk den Buddhastatuen, die man am Mekongufer gefunden hatte, wie auch ihrem König. Heute liegt der Holy Hill inmitten eines Kreisverkehrs der Hauptstadt. Dass es beim Beten oder Meditieren manchmal etwas dröhnt, bringt niemanden aus der Ruhe.
Überhaupt zeigt sich die Zweimillionenmetropole trotz Gewimmels und Gewusels sonderbarer Weise recht entspannt. Scheinbar Widersprüchliches paart sich in trauter Nachbarschaft auch optisch: Pagoden und Büropaläste, koloniale Villen und wackelige Wellblechhütten, digitale Werbetafeln und handgeschnitzte Himmelswesen.
Es brummt, hupt, knattert, klappert, quietscht. Busse, Lkws und Autos fahren meist in eine Richtung. Tuk-Tuks, Räder, Motorroller je nach dem, wie es sich grad ergibt. Ein Wunder, dass das Chaos funktioniert. Die Regeln der Bewegung bleiben für mich unergründlich. Ebenso ein Phänomen: das Moped als Familienfahrzeug. Was anderswo in einem Van mit großem Kofferraum verteilt wird, hat hier auf einem Zweirad Platz: Vater, Mutter, Kinder, Tiere, Einkaufstaschen, Eimer, Möbel… Das nenn ich Nachhaltigkeit!
Während ich als Einzelpassagier im Tuk-Tuk an diversen Mopedfahrgemeinschaften vorüberknattere, fühle ich mich fast ein bisschen dekadent. Komfortabler ist es aber schon. Der Eindruck schwindet, als meine Motorrikscha vor dem Raffles Le Royal hinter einer dicken schwarzen Limousine hält.
Manchmal kommen auch die V.I.P.s im Tuk-Tuk
Ein junger Hotelangestellter springt herbei. Mit Paradetropenhelm, goldbestickter Jacke und knielangen Seidenhosen ist er als königlicher Diener von anno dazumal verkleidet. Freundlich lächelnd, mit akkurater Etikette, empfängt er die neuen Gäste und entführt sie in die Zeit, aus der wohl auch sein Outfit stammt. Nicht weniger charmant und höflich begrüßt er mich in meinem Dreiradtaxi. Dass jeder Gast als V.I.P. behandelt wird, sieht ganz nach alter Schule aus und passt zum Pomp und Pathos des ehrenwerten legendären Hauses.
Als es 1929 in Phnom Penh eröffnet wurde, war Kambodscha noch französische Kolonie. König Sisowath Monivong regierte nur als Marionette der Besatzer, die Bild und Lebensstil des Hauptstadtzentrums prägten. Das Luxushotel im Palast- und Regierungsviertel war das erste in Phnom Penh. Bis heute ist es sein bekanntestes.
Der livrierte Bursche hält die erste und die zweite Türe auf. Ich trete ein und stehe in dem Vestibül, einer kleinen, aber hohen Halle mit einem großen Lüster. Durch offene, runde Bögen, gesäumt von langen, hellen Vorhängen, umweht mich ein verführerischer, geheimnisvoller Hauch von Orient und fernöstlicher Exotik. Schneeweiße Orchideen, antike Möbel und silberne Schatullen in Gestalt von Tieren verbreiten exquisiten Glanz, warme Farben und diverse Kuschelecken sorgen für Gemütlichkeit und Wohlgefühl.
Kultbar und Promi-Kult: Auf den Spuren von Jackie O
Eine Institution für sich ist die Elephant Bar, eine der kultigsten Ausgehadressen in Kambodschas Hauptstadt. Die namensgebenden Dickhäuter tauchen hier auf Bildern oder als Figuren in vielfältigen Darstellungen auf. Am coolsten finde ich die fünf etwa faustgroßen Messingelefantenköpfe. Mit ihren Rüsseln tragen sie die Haltestange, die um den Tresen läuft – und sicher oft auch späte Gäste, die sich daran klammern. Am Nachmittag wird hier vor allem Tee getrunken, abends Bier, 110 diverse Gins und Cocktails.
Das Kultgetränk heißt Femme Fatal und besteht aus Erdbeerlikör, Cognac und Champagner. Auf der Karte steht es seit 1967, dem Jahr, als Jackie O. im Le Royal logierte und diesen Mix hier in Phnom Penh erstmals orderte. Auch das fünfgängige Menü der Gattin John F. Kennedys kann man für 90 Dollar inklusive aller zu jedem Gang servierten Weine im Restaurant bestellen. Die Speisen: Gartensalat, Geflügelcremesuppe, knusprige Entenleber, Rindsmedaillons mit Wildpilzen, Vanille-Karamel-Creme.
An den Starbesuch aus USA erinnern heute weiterhin ein Glas mit Jackies Lippenabdruck (wie eine Reliquie in einer Glasvitrine ausgestellt) sowie ein Messingschild an ihrer Suite, die jeder buchen kann.
Khmerkunstschätze, koloniale und royale Bauten
In die Verandabar mit Blick auf Pools und Park, die an ein altes Gartenhaus erinnert, verliebe ich mich auf der Stelle. In den hinteren Hotelteil gelange ich durch einen überdachten Säulengang. Links und rechts von ihm die zwei Bassins lassen ihn wie eine Brücke wirken. Große, alte Bäume spiegeln sich im Wasser. Ihre dicken Äste, schief und knorrig, kämpfen mit den rechten Winkeln und geraden Linien der Beckenkanten und Gebäude. Und sie schaffen es tatsächlich, dass der Eindruck von Natürlichkeit am Ende siegt.
Um Kunst und kulturelle Schätze dreht sich auch mein nächster Tag in Phom Penh. Im Nationalmuseum sehe ich vor allem scharenweise Götter und Dämonen, Buddhas, Könige, Fabelwesen, Tiere – große aus Stein, kleinere und winzige aus Bronze, aber auch Fresken aus der Angkor-Zeit und jede Menge Sänften, Waffen, Masken.
Gleich nebenan, doch meistens unsichtbar, residiert Kambodschas heutiger Monarch, König Norodom Sihamoni. Rund die Hälfte des Palastgeländes darf betreten und besichtigt werden. Am meisten beeindrucken mich der prächtige Thronsaal und die Silberpagode mit wertvollen Skulpturen wie dem „Smaragd-Buddha“ und Bodenfliesen aus reinem Silber. Mehrere tausend sollen es sein. Ich glaub es mal. Die meisten sind nämlich unter Teppichen versteckt.
Rooftop-Party auf dem Drachenkopf
Künstlerisch und edel geht es weiter. Doch statt Antike, Mittelalter und kolonialem Erbe ist jetzt Zeitgeist angesagt. Denn ich bin auf dem Weg zum Rosewood. Das supermoderne Fünfsternehotel befindet sich in den obersten 14 der 39 Stockwerke des Vattanac Capital Tower. Seine Silhouette erinnert an die eines aufsteigenden Drachen. Mit 188 Metern ist er das höchste Bauwerk in Phnom Penh. Schöne kreative Werke begegnen mir hier nicht nur als Gemälde und Objekte in den öffentlichen Räumen. Auch diese selbst und ebenso die Gästezimmer sind ästhetisch so vollkommen, dass ich sie als Kunst empfinde.
Getoppt wird alles von der Rooftop Bar. Die Lounge im Innenraum ist klassisch elegant mit einem guten Schuss Exzentrik. Besonders mag ich hier den glamourösen, raffiniert gemachten Deckenleuchter. Er besteht aus ein paar hundert Weihnachtskugeln – silberfarben, unterschiedlich groß und dicht drapiert zu einer Traube. Dazwischen sorgen runde Lämpchen für tolle Spiegellichteffekte.
Vorbei an dicht begrünten Pflanzenwänden gehe ich nach draußen auf die Dachterrasse. Die Nacht über Phnom Penh ist warm, die Musik schön chillig. Barkeeper und Kellner haben alle Hände voll zu tun. Die meisten Leute stehen an der Brüstung. Ich stelle mich dazu.
Die kleinen Tempelvögel von heute Morgen schlafen sicher schon lange. Aber wenn sie am Tag über den Himmel jagen, sehen sie die Stadt genauso wie ich jetzt – nur ohne all die bunten Lichter eben, klar. Bloß einen Schwalbengleitflug weit entfernt, liegt der Phnom der guten Oma Penh. Zu ihren Zeiten bot der kleine Hügel weit und breit die beste Aussicht. Doch diese hier vom Dach des Rosewood würde der alten Dame bestimmt genauso gut wie mir gefallen.
Infos & Tipps:
Einreise: Ein Touristenvisum (bis 30 Tage) erhalten EU-Bürger und Schweizer online unter www.evisa.gov.kh, Gebühr 36 USD (Zahlung per Visa- oder Mastercard), Bearbeitungszeit max. 3 Werktage. Passfoto einscannen! Pass muss bei Einreise noch 6 Monate gültig sein.
Übernachtung: Das Raffles Le Royal verbindet den Charme alter Traditionen mit moderner Eleganz. Im Rosewood Phnom Penh erwartet Sie edelster, moderner Luxus.
Restaurant-Tipp: Das „Romdeng“ in einer kolonialen Villa in Phnom Penh serviert hervorragende Khmer-Küche und dient einem guten Zweck. Es gehört der Stiftung Tree Alliance, die sozial schwache Jugendliche durch Ausbildung und Jobs fördert.
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